FriedrichSchiller.doc

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1、Friedrich SchillerDer Spaziergang unter den Linden.(Aus dem wrttembergischen Repertorium 1782.)Wollmar und Edwin waren Freunde und wohnten in einer friedlichen Einsiedelei beisammen, in welche sie sich aus dem Gerusch der geschftigen Welt zurckgezogen hatten, hier in aller philosophischen Mue die me

2、rkwrdigen Schicksale ihres Lebens zu entwickeln. Edwin, der glckliche, umfate die Welt mit frohherziger Wrme, die der trbere Wollmar in die Trauerfarbe seines Migeschicks kleidete. Eine Allee von Linden war der Lieblingsplatz ihrer Betrachtungen. Einst an einem lieblichen Maientag spazierten sie wie

3、der; ich erinnere mich folgenden Gesprches: Edwin. Der Tag ist so schn die ganze Natur hat sich aufgeheitert, und Sie so nachdenkend, Wollmar? Wollmar. Lassen Sie mich. Sie wissen, es ist meine Art, da ich ihr ihre Launen verderbe. Edwin. Aber ist es denn mglich, den Becher der Freude so anzuekeln?

4、Wollmar. Wenn man eine Spinne darin findet warum nicht? Sehen Sie, Ihnen malt sich jetzt die Natur wie ein rothwangigtes Mdchen an seinem Brauttag. Mir erscheint sie als eine abgelebte Matrone, rothe Schminke auf ihren grngelben Wangen, geerbte Demanten in ihrem Haar. Wie sie sich in diesem Sonntags

5、aufputz belchelt! Aber es sind abgetragene Kleider und schon hunderttausendmal gewandt. Eben diesen grnen wallenden Schlepp trug sie schon vor Deukalion, eben so parfmiert und eben so bunt verbrmt. Jahrtausende lang verzehrt sie nur mit dem Abtrag von der Tafel des Todes, kocht sich Schminke aus den

6、 Gebeinen ihrer eigenen Kinder und stutzt die Verwesung zu blendenden Flittern. Es ist ein unflthiges Ungeheuer, das von seinem eigenen Koth, viele tausendmal aufgewrmt, sich mstet, seine Lumpen in neue Stoffe zusammenflickt und gro thut und sie zu Markte trgt und wieder zusammenreit in garstige Lum

7、pen. Junger Mensch, weit du wohl auch, in welcher Gesellschaft du vielleicht jetzo spazierest? Dachtest du je, da dieses unendliche Rund das Grabmal deiner Ahnen ist, da dir die Winde, die dir die Wohlgerche der Linden herunterbringen, vielleicht die zerstobene Kraft des Arminius in die Nase blasen,

8、 da du in der erfrischenden Quelle vielleicht die zermalmten Gebeine unsrer groen Heinriche kostest? Pfui! Pfui! Die Erderschtterer Roms, die die majesttische Welt in drei Theile rissen, wie Knaben einen Blumenstrau unter sich theilen und an die Hte stecken, mssen vielleicht in den Gurgeln ihrer ver

9、schnittenen Enkel einer wimmernden Opernarie frohnen. Der Atome, der in Platos Gehirne dem Gedanken der Gottheit bebte, der im Herzen des Titus der Erbarmung zitterte, zuckt vielleicht jetzo der viehischen Brunst in den Adern der Sardanapale oder wird in dem Aas eines gehenkten Gaudiebs von den Rabe

10、n zerstreut. Schndlich! Schndlich! Wir haben aus der geheiligten Asche unserer Vter unsere Harlekinsmasken zusammengestoppelt; wir haben unsere Schellenkappen mit der Weisheit der Vorwelt gefttert. Sie scheinen das lustig zu finden, Edwin? Edwin. Vergeben Sie. Ihre Betrachtungen erffnen mir komische

11、 Scenen. Wie? wenn unsre Krper nach eben den Gesetzen wanderten, wie man von unsern Geistern behauptet? Wenn sie nach dem Tod der Maschine eben das Amt fortsetzen mten, das sie unter den Befehlen der Seele verwalteten; gleichwie die Geister der Abgeschiedenen die Beschftigungen ihres vorigen Lebens

12、wiederholen, quae cura fuit vivis, eadem sequitur tellure repostos. Wollmar. So mag die Asche des Lykurgus noch bis jetzt und ewig im Ocean liegen! Edwin. Hren Sie dort die zrtliche Philomele schlagen? Wie? wenn sie die Urne von Tibulls Asche wre, der zrtlich wie sie sang? Steigt vielleicht der erha

13、bene Pindar in jenem Adler zum blauen Schirmdach des Horizonts? Flattert vielleicht in jenem buhlenden Zephyr ein Atome Anakreons? Wer kann es wissen, ob nicht die Krper der Slinge in zarten Puderflckchen in die Locken ihrer Gebieterinnen fliegen? Ob nicht die Ueberbleibsel der Wucherer im hundertjh

14、rigen Rost an die verscharrten Mnzen gefesselt liegen? Ob nicht die Leiber der Polygraphen verdammt sind, zu Lettern geschmolzen oder zu Papier gewalkt zu werden, ewig nun unter dem Druck der Presse zu chzen und den Unsinn ihrer Collegen verewigen zu helfen? Wer kann mir beweisen, da der schmerzlich

15、e Blasenstein unsers Nachbars nicht der Rest eines ungeschickten Arztes ist, der nunmehr zur Strafe die ehemals mihandelten Gnge des Harns ein ungebetener Pfrtner htet, so lang in diesen schimpflichen Kerker gesprochen, bis die geweihte Hand eines Wundarztes den verwnschten Prinzen erlst? Sehen Sie,

16、 Wollmar! aus eben dem Kelche, woraus Sie die bittere Galle schpfen, schpft meine Laune lustige Scherze. Wollmar. Edwin! Edwin! Wie Sie den Ernst wieder mit lchelndem Witz bertnchen! Man sage es doch unsern Frsten, die mit einer zuckenden Wimper zu vernichten meinen. Man sage es unsern Schnen, die m

17、it einer farbigten Landschaft im Gesicht unsre Weisheit zur Nrrin machen wollen. Man sage es den sen Herrchen, die eine Handvoll blonde Haare zu ihrem Gott machen. Mgen sie zusehen, wie die Schaufel des Todtengrbers den Schdel Yoriks so unsanft streichelt. Was dnkt sich ein Weib mit ihrer Schnheit,

18、wenn der groe Csar eine anbrchige Mauer flickt, den Wind abzuhalten? Edwin. Aber wo hinaus denn mit dem allem? Wollmar. Armselige Katastrophe einer armseligen Farce! Sehen Sie, Edwin! Das Schicksal der Seele ist in die Materie geschrieben. Machen Sie nunmehr den glcklichen Schlu. Edwin. Gemach, Woll

19、mar. Sie kommen ins Schwrmen. Sie wissen, wie gern Sie da die Vorsicht mihandeln. Wollmar. Lassen Sie mich fortfahren. Die gute Sache scheut die Besichtigung nicht. Edwin. Wollmar besichtige, wenn er glcklicher ist. Wollmar. O pfui! Da bohren Sie gerade in die gefhrlichste Wunde. Die Weisheit wre al

20、s eine waschhafte Mklerin, die in jedem Hause schmarotzen geht und geschmeidig in jede Laune plaudert, bei dem Unglcklichen die Gnade selbst verleumdet, bei dem Glcklichen auch das Uebel verzuckert. Ein verdorbener Magen verschwtzt diesen Planeten zur Hlle, ein Glas Wein kann seine Teufel vergttern.

21、 Wenn unsre Launen die Modelle unsrer Philosophieen sind, sagen Sie mir doch, Edwin, in welcher wird die Wahrheit gegossen? Ich frchte, Edwin, Sie werden weise sein, wenn Sie erst finster werden! Edwin. Das mcht ich nicht, um weise zu werden! Wollmar. Sie haben das Wort glcklich genannt. Wie wird ma

22、n das, Edwin? Arbeit ist die Bedingung des Lebens, das Ziel Weisheit, und Glckseligkeit, sagen Sie, ist der Preis. Tausend und abermal tausend Segel fliegen ausgespannt, die glckliche Insel zu suchen im gestadlosen Meere und dieses goldene Vlie zu erobern. Sage mir doch, du Weiser, wie viel sind ihr

23、er, die es finden? Ich sehe hier eine Flotte im ewigen Ring des Bedrfnisses herumgewirbelt, ewig von diesem Ufer stoend, um ewig wieder daran zu landen, ewig landend, um wieder davon zu stoen. Sie tummelt sich in den Vorhfen ihrer Bestimmung, kreuzt furchtsam lngs dem Ufer, Proviant zu holen und das

24、 Takelwerk zu flicken, und steuert ewig nie auf die Hhe des Meeres. Es sind diejenigen, die heute sich abmden, auf da sie sich morgen wieder abmden knnen. Ich ziehe sie ab, und die Summe ist um die Hlfte geschmolzen. Wieder Andere reit der Strudel der Sinnlichkeit in ein ruhmloses Grab. Es sind diej

25、enigen, die die ganze Kraft ihres Daseins verschwenden, den Schwei der Vorigen zu genieen. Man rechne sie weg, und ein armes Viertheil bleibt noch zurck. Bang und schchtern segelt es ohne Compa, im Geleit der bezglichen Sterne, auf dem furchtbaren Ocean fort, schon flimmt wie weies Gewlk am Rande de

26、s Horizonts die glckliche Kste, Land ruft der Steuermann, und siehe! ein elendes Brettchen zerbirstet, das lecke Schiff versinkt hart am Gestade. Apparent rari nantes in gurgite vasto. Ohnmchtig kmpft sich der geschickteste Schwimmer zum Lande, ein Fremdling in der therischen Zone irrt er einsam umh

27、er und sucht thrnenden Augs seine nordische Heimath. So ziehe ich von der groen Summe eurer freigebigen Systeme eine Million nach der andern ab. Die Kinder freuen sich auf den Harnisch der Mnner, und diese weinen, da sie nimmermehr Kinder sind. Der Strom unsers Wissens schlngelt sich rckwrts zu sein

28、er Mndung, der Abend ist dmmerig wie der Morgen, in der nmlichen Nacht umarmen sich Aurora und Hesperus, und der Weise, der die Mauern der Sterblichkeit durchbrechen wollte, sinkt abwrts und wird wieder zum tndelnden Knaben. Nun, Edwin! rechtfertigen Sie den Tpfer gegen den Topf; antworten Sie, Edwi

29、n! Edwin. Der Tpfer ist schon gerechtfertigt, wenn der Topf mit ihm rechten kann. Wollmar. Antworten Sie. Edwin. Ich sage, wenn sie auch die Insel verfehlt, so ist doch die Fahrt nicht verloren. Wollmar. Etwa das Aug an den malerischen Landschaften zu weiden, die zur Rechten und Linken vorbei fliege

30、n? Edwin? Und darum in Strmen herumgeworfen werden, darum an spitzigen Klippen vorbei zu zittern, darum in der wogenden Wste einem dreifachen Tode um den Rachen zu schwanken! Reden Sie nichts mehr, mein Gram ist beredter als Ihre Zufriedenheit. Edwin. Und soll ich darum das Veilchen unter die Fe tre

31、ten, weil ich die Rose nicht erlangen kann? Oder soll ich diesen Maitag verlieren, weil ein Gewitter ihn verfinstern kann? Ich schpfe Heiterkeit unter der wolkenlosen Blue, die mir hernach seine strmische Langeweile verkrzt. Soll ich die Blume nicht brechen, weil sie morgen nicht mehr riechen wird?

32、Ich werfe sie weg, wenn sie welk ist, und pflcke ihre junge Schwester, die schon reizend aus der Knospe bricht. Wollmar. Umsonst! Vergebens! Wohin nur ein Samenkorn des Vergngens fiel, sprossen schon tausend Keime des Jammers. Wo nur eine Thrne der Freude liegt, liegen tausend Thrnen der Verzweigung

33、 begraben. Hier an der Stelle, wo der Mensch jauchzte, krmmten sich tausend sterbende Insekten. In eben dem Augenblick, wo unser Entzcken zum Himmel wirbelt, heulen tausend Flche der Verdammni empor. Es ist ein betrgliches Lotto, die wenigen armseligen Treffer verschwinden unter den zahllosen Nieten

34、. Jeder Tropfe Zeit ist eine Sterbeminute der Freuden, jeder wehende Staub der Leichenstein einer begrabenen Wonne. Auf jeden Punkt im ewigen Universum hat der Tod sein monarchisches Siegel gedrckt. Auf jeden Atomen les ich die trostlose Aufschrift: Vergangen! Edwin. Und warum nicht: Gewesen? Mag jeder Laut der Sterbegesang einer Seligkeit sein er ist auch die Hymne der allgegenwrtigen Liebe. Wollmar, an dieser Linde kte mich meine Juliette zum erstenmal. Wollmar (heftig davon gehend). Junger Mensch! Unter dieser Linde hab ich meine Laura verloren.

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